Well, for a change there is a good reason to stay in China. Back in 2011 I started to ask myself, why I should stay here and in 2012 I put down all my thoughts in an essay and later even in an amateur podcast recording.
The topic is permanent, almost like burdening ruminations. But after all, I have concluded, it is important to re-evaluate the situation year after year. Does it pay off to stay or is it better to leave? China changes so fast, that an annual recap of advantages and disadvantages is more than justified.
A few weeks ago I did my first annual health check in China. Before that I had it done abroad, because it was simply easier. I was at Shanghai's Delta Health and a tall physician from Kenya, trained in England with a perfect British accent, did all the tests that were due.
When it comes to my health history, I tell him that I did suffer severe asthma back in Austria, but curiously enough I don't have any breathing difficulties in China. He smiles and replies dryly that that's no surprise: The carbon monoxide contents in China's polluted air has beneficial aspects on respiratory tract. The effect is similar to my standard medication salbutamol, which I had to inhale whenever I was short of breath.
My mouth was left gaping wide open. You are kidding, aren't you? No, absolutely not, Doctor Magalawe says and continues with his tests. Back home I google carbon monoxide, and believe it our not, I immediately find above picture clearly showing that China has the highest carbon monoxide concentration worldwide.
The topic is permanent, almost like burdening ruminations. But after all, I have concluded, it is important to re-evaluate the situation year after year. Does it pay off to stay or is it better to leave? China changes so fast, that an annual recap of advantages and disadvantages is more than justified.
A few weeks ago I did my first annual health check in China. Before that I had it done abroad, because it was simply easier. I was at Shanghai's Delta Health and a tall physician from Kenya, trained in England with a perfect British accent, did all the tests that were due.
When it comes to my health history, I tell him that I did suffer severe asthma back in Austria, but curiously enough I don't have any breathing difficulties in China. He smiles and replies dryly that that's no surprise: The carbon monoxide contents in China's polluted air has beneficial aspects on respiratory tract. The effect is similar to my standard medication salbutamol, which I had to inhale whenever I was short of breath.
My mouth was left gaping wide open. You are kidding, aren't you? No, absolutely not, Doctor Magalawe says and continues with his tests. Back home I google carbon monoxide, and believe it our not, I immediately find above picture clearly showing that China has the highest carbon monoxide concentration worldwide.
保持水土人人有责 | baochi shuitu renren youze | die Verantwortung, Wasser und Boden zu bewahren, trifft jeden
保持水土人人有责, diese Schriftzeichen las ich Ende 2012 in der Provinz Guangxi an einer Bootsanlegestelle nahe der Stadt Yangshuo, wo ich mit Familie und Freunden einen wunderbaren Kurzurlaub verbrachte. Die plakativen Aufforderungen und politische Propaganda der chinesischen Regierung ist in vielerlei Hinsicht haarsträubend – weil so skrupellos in die allgemeine Öffentlichkeit gelogen, aber gerade beim Thema Umweltschutz wird deutlich, dass es sich hierbei nur um scheinheilige Aufrufe zur Volksbefriedung handelt, deren Umsetzung gerade die zuständigen Lokalregierungen einen wortwörtlichen feuchten Dreck kümmert. Würde die Regierung der Stadt Yangshuo oder der Provinz Guangxi, welche zu einem überproportional großen Anteil von Tourismuseinnahmen abhängig ist, da jedes Jahr Millionen von ausländischen und heimischen Besuchern nach Guilin und Umgebung strömen, um die berühmten Karstlandschaften am Li Fluss zu bestaunen, sich nur ein wenig um die Bewahrung von Boden und Wasser kümmern, ja, dann gäbe es wohl keine Außenbordmotoren auf den vielen Touristenflössen, die den Li Fluss tagtäglich hinunterschippern, sodass ein fetter Ölfilm gleich unterhalb der Propagandaschriftzeichen schimmert. Dann würde uns ein Einheimischer nicht klagen, daß ohne Rücksicht auf Verluste die Karstlandschaft durch neue Immobilienentwicklungen verwüstet, und ein Berg nach dem anderen angegraben wird. Die Regierung kümmert das sicher wenig, denn solange Grund und Boden verkauft werden kann, klingen die Kassen: Chinesische Lokalregierungen schöpfen einen Löwenanteil ihrer Steuereinnahmen aus dieser Quelle. Mit 2012 mehr als 100.000 behördlich registrierten Protesten chinesischer Bürger[i], großteils wegen von lokalen Regierungseinheiten geduldeten, wenn nicht sogar unterstützten Umwelteinflüssen, zeigt sich China von ihrer derzeit wohl furchterregendsten Seite. Warum fürchtet mich das? Wenn Chinas Umwelt einmal zerstört ist, dann müssen 1.5 Milliarden Menschen neuen Lebensraum suchen. Das tun die Eliten Chinas bereits. Und das sind nicht wenige in absoluten Zahlen gemessen. Ein Lokalaugenschein in Kunming, jener dörflich anmutenden Stadt, in welcher ich einige Zeit in den frühen 2000ern zugebracht hatte, zeigt Ende 2012, also etwa zehn Jahre später, das Ausmaß der Umweltzerstörung paraexemplarisch: Die bebaute Stadtfläche dürfte sich konservativ geschätzt verfünffacht haben, die Anzahl der Kraftfahrzeuge verzehnfacht. Eine dicke Smogwolke hängt über der Stadt, die einst den Beinahmen Spring City besaß; zurecht nicht nur wegen des alle Jahreszeiten hindurch milden Klimas, sondern in meiner Erinnerung wegen eines süßlichen Honigaromas, welches von den Blüten einer lokalen Strauchart ausgehend zu jeder Tageszeit eine wahrlich bezaubernde Geruchskulisse generierte. Heute ist dieser Duft nicht mehr wahrnehmbar, da er von Abgasen überlagert ist.
Man hört immer wieder, dass Urbanisierung für die Umwelt positive Auswirkungen zeitigen würde, weil städtische Infrastruktur zentralisiert gebaut, gewartet, und letztlich Abfälle wie auch Abwässer zentral gesammelt und aufbereitet werden können. Das wird wohl so sein, wenn man einen typischen chinesischen compound, in welchem mehrere tausend Menschen leben, mit einer Streusiedlung vergleicht, in welcher in kleinen Einfamilienhäusern eine etwa gleich große Menschenmenge lebt. Was jedoch dabei nicht in Betracht gezogen wird, ist die durch Urbanisierung ungleich größere Wandlung von Grünzonen in Verkehrsflächen, die notwendig sind, um die Menschenmassen von A nach B gelangen zu lassen. Die ungleich größeren Logistik- und Distributionseinrichtungen, die geschaffen werden müssen, um deren Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Der mittlerweile verjährte Slogan einer Handelskette, „fahr nicht fort, kauf im Ort“ wurde ursprünglich zum Erhalt von Krämerläden und kleineren Supermärkten in den Dörfern und Gemeinden Mitteleuropas geprägt. Er trifft in gleichem, allerdings pervertierten Maße auf chinesische Städte zu, in welchen Konsumenten ihre Stadt nicht mehr verlassen müssen, weil sie dort alles bekommen. Die Qual der Wahl lässt sie jedoch oft lange Wege innerhalb der Stadt, Verkehrsinfarkte und lange Wartezeiten an den Kassen der Hypermärkte in Kauf nehmen. Die Ende Juni 2012 eröffnete erste Metrolinie Kunmings kann der Abgasbelastung noch nicht entgegenhalten, und heimische Freunde gestehen uns, dass selbst bei zügigem Ausbau der öffentlichen Verkehrsnetze, man weiter auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen sein wird. Der Einsatz des privaten Vehikels wird allerdings immer mühsamer, erzählt uns Li Lukang, eine Kunminger real estate Maklerin. Vor fünf Jahren habe sie nur 20 Minuten für den Weg von ihrer Wohnung in das Büro gebraucht; mittlerweile benötigt sie eine Stunde für dieselbe Strecke von etwa 10 Kilometern. Auf der zweiten Ringautobahn herrscht quasi 24/7 Stau, und auch wir, die wir uns einen Mietwagen geleistet haben, um die 8 Stunden Bahnfahrt nach Dali mit Kind und Kegel zu halbieren, rutschen in ein Verkehrschaos, welches seinesgleichen selbst in Shanghai oder Beijing sucht. Über Beijing witzelt zwar ein jeder Chinese, der schon einmal dort gewesen ist, da dieses berechtigterweise seit ein paar Jahren einen Zweitnamen trägt. Peking ist als Hauptstadt Chinas das 首都 | shoudu | die erste Stadt des Landes. Als Stadt des akuten Verkehrsinfarktes ist sie jedoch als 首堵 | shoudu | erste Stadt des Staus bekannt. Gleiche Aussprache aber andere Bedeutung. Nach zwei Stunden des vergeblichen stop and go geben wir unseren ursprünglichen Ausflugsplan auf und nehmen die erste Abfahrt von der Autobahn, die uns auf eine ebenso verstopfte Schnellstraße führt auf der wir nach einer weiteren halben Stunde in einen Schotterweg abbiegen, um dem Blechgeschiebe zu entkommen. Mit etwas navigatorischen Künsten schaffen wir es über Stock und Stein zurück Richtung Stadtzentrum, wo wir eine weitere Stunde im trägen Verkehr zubringen bis wir wieder in unserem Hotel am 翠湖 | cuihu | Emerald Green Lake erschöpft ankommen. Never again schwören wir. Doch bereits zwei Tage später erleben wir eine andere Facette der neuen Mobilisierung Chinas. Die für drei bis vier Stunden angesetzte Autofahrt von Kunming nach Dali verdoppelt sich, weil wir zwei Mal sage und schreibe jeweils etwa zwei Stunden mitten auf der Autobahn zu einem total Halt kommen. Was tut man also in dieser für China ungewohnten Situation? Man steigt aus. Pinkelt hinter einen Busch am Straßenrand. Hilft den Kindern ebendieses Bedürfnis zu befriedigen, und stellt dabei fest, dass nicht unweit vom eigenen Haltpunkt direkt an der Autobahn ein improvisierter KFZ Reparatur Laden Geschäft aufgeschlagen hat. Ein Toyota Crown parkt am Pannenstreifen und lässt sich das Radwerk rundumerneuern. Ein Jinbei Kleinbus steht in Warteposition, um gewaschen zu werden. Die Bedienung erfolgt von einer schäbigen Hütte aus, die auf der anderen Seite des fünf Meter hohen Grenzwalls zwischen Autobahn und übriger Landschaft eingerichtet wurde. Da ich dort nicht wenige Ersatzteile und ein durchaus professionelles Assortiment von Werkzeug sichte, drängt sich der Verdacht auf, dass es sich entweder um einen regelmäßigen oder in hoher Frequenz auftretenden Stau handelt. Eine kurzerhand mit dem gelangweilt aussehnenden Lenker des Fahrzeuges vor uns aufgetane Konversation klärt den Sachverhalt auf. Herr Chen ist diese Strecke mehrmals pro Woche unterwegs, sagt er mir, während ich versuche seine Augen hinter der verspiegelten Sonnenbrille im police-look ausfindig zu machen. Derartige Staus sind eine fast tägliche Erscheinung und ich solle mir keine Hoffnung machen, mindestens 90 Minuten werden wir stehen ohne dass sich das geringste tut. Aber was sei denn nun der Auslöser für den Stau, will ich wissen. Es sind die in dieser Gegend unerfahrenen LKW Lenker, die nicht wissen, dass das Bremswasser ihrer Kollegen vor ihnen auf der Autobahn vor allem in der Nacht und auch in den frühen Morgenstunden gefriert. Wenn sie dann auf den manchmal für eine Autobahn steil abschüssigen Streckenteilen bremsen, kommt es mit ziemlich großer Regelmäßigkeit zur Unfällen auf dem entstandenen Glatteis. Dr. Wang, zwei Autos vor mir, Chirurg an der Universitätsklinik von Dali, erzählt mir dass er mit einer Gruppe von Ärzten in Kunming gewesen sei, um medizinische Waren einzukaufen. Die Unfalllenker würden nicht selten in sein Krankenhaus eingeliefert werden.
Unter welchen Umweltbedingungen würde ich China verlassen? Sollte sich Shanghai in ihrer Luftqualität jener Beijings annähern, so wäre ein Grund gegeben, meine Sachen zu packen. Jüngste veröffentlichte Messungen der Beijinger Luftqualität haben von einem PM 2.5 Wert[ii] von über 700 gesprochen. Ähnlich wie in den jüngst neu eingeführten Skalenbereichen für Hitzeerscheinungen in Australien, müßte die bis 500 reichende PM 2.5 Skala für Beijing neu erfunden werden. Nun ist es bereits eine Besonderheit, dass man in Printmedien realitätsnahe Werte liest bzw von gesundheitsschädlichen Situationen als betroffener Bürger informiert wird. Die von der US Botschaft in Beijing veröffentlichten PM Messungen werden regelmäßig blockiert, der weibo Blog gesperrt. Dass chinesische Printmedien absurd hohe Zahlen selbst eingestehen ist ein Novum.[iii] Die Unklarheit über gesundheitsschädliche Umweltbelastungen und die Trägheit, mit der etwas dagegen unternommen wird, ist jedoch ein ständiger Wegbegleiter eines Lebens in China.
首堵还是雾都 - Staustadt oder Smogstadt
Nachtrag: Die oben stehenden Zeilen sind Anfang 2013 enstanden. Wir schreiben nun Dezemer 2013 und zu meinem Entsetzen sind die Feinstaubwerte Shanghais in den vergangenen zwei Wochen im ein Vielfaches schlechter gewesen als in Beijing. Während wir im Jänner dieses Jahres als in Beijing Rekordwerte von 900 µg Feinstaub gemessen wurden, waren es in Shanghai nie mehr als 250 - nichts desto trotz verbrachten unsere Kinder drei Wochen durchgehend ihre Kindergartenstunden indoors, um den hohen Werten nicht ausgesetzt zu sein, und die Elternvertretung schaffte einen air purifier an. In den vergangenen zwei Wochen hat sich das Blatt gewendet. In Shanghai wurden historische Höchstwerte gemessen - die höchste Zahl wurde von meinen Mitarbeitern aus dem Bezirk Putuo vermeldet: 726 µg. Aber selbst Durchschnittswerte waren für mehrere Tage weit über 400 µg. Während man über Beijing seit Jahren als Staustadt scherzt, hat Shanghai nun den Beinamen Smogstadt erhalten. Selbst heute Sonntag waren die Werte Shanghais ungesund. Man hört, dass sich die Umweltbedingungen in den kommenden zehn Jahren nicht verbessern, sondern verschlechtern werden.
[i] http://derstandard.at/1356426303365/Auf-China-lastet-grosser-Reformdruck
[ii] http://en.wikipedia.org/wiki/PM10
[iii] http://africa.chinadaily.com.cn/china/2013-01/19/content_16143425.htm
保持水土人人有责, diese Schriftzeichen las ich Ende 2012 in der Provinz Guangxi an einer Bootsanlegestelle nahe der Stadt Yangshuo, wo ich mit Familie und Freunden einen wunderbaren Kurzurlaub verbrachte. Die plakativen Aufforderungen und politische Propaganda der chinesischen Regierung ist in vielerlei Hinsicht haarsträubend – weil so skrupellos in die allgemeine Öffentlichkeit gelogen, aber gerade beim Thema Umweltschutz wird deutlich, dass es sich hierbei nur um scheinheilige Aufrufe zur Volksbefriedung handelt, deren Umsetzung gerade die zuständigen Lokalregierungen einen wortwörtlichen feuchten Dreck kümmert. Würde die Regierung der Stadt Yangshuo oder der Provinz Guangxi, welche zu einem überproportional großen Anteil von Tourismuseinnahmen abhängig ist, da jedes Jahr Millionen von ausländischen und heimischen Besuchern nach Guilin und Umgebung strömen, um die berühmten Karstlandschaften am Li Fluss zu bestaunen, sich nur ein wenig um die Bewahrung von Boden und Wasser kümmern, ja, dann gäbe es wohl keine Außenbordmotoren auf den vielen Touristenflössen, die den Li Fluss tagtäglich hinunterschippern, sodass ein fetter Ölfilm gleich unterhalb der Propagandaschriftzeichen schimmert. Dann würde uns ein Einheimischer nicht klagen, daß ohne Rücksicht auf Verluste die Karstlandschaft durch neue Immobilienentwicklungen verwüstet, und ein Berg nach dem anderen angegraben wird. Die Regierung kümmert das sicher wenig, denn solange Grund und Boden verkauft werden kann, klingen die Kassen: Chinesische Lokalregierungen schöpfen einen Löwenanteil ihrer Steuereinnahmen aus dieser Quelle. Mit 2012 mehr als 100.000 behördlich registrierten Protesten chinesischer Bürger[i], großteils wegen von lokalen Regierungseinheiten geduldeten, wenn nicht sogar unterstützten Umwelteinflüssen, zeigt sich China von ihrer derzeit wohl furchterregendsten Seite. Warum fürchtet mich das? Wenn Chinas Umwelt einmal zerstört ist, dann müssen 1.5 Milliarden Menschen neuen Lebensraum suchen. Das tun die Eliten Chinas bereits. Und das sind nicht wenige in absoluten Zahlen gemessen. Ein Lokalaugenschein in Kunming, jener dörflich anmutenden Stadt, in welcher ich einige Zeit in den frühen 2000ern zugebracht hatte, zeigt Ende 2012, also etwa zehn Jahre später, das Ausmaß der Umweltzerstörung paraexemplarisch: Die bebaute Stadtfläche dürfte sich konservativ geschätzt verfünffacht haben, die Anzahl der Kraftfahrzeuge verzehnfacht. Eine dicke Smogwolke hängt über der Stadt, die einst den Beinahmen Spring City besaß; zurecht nicht nur wegen des alle Jahreszeiten hindurch milden Klimas, sondern in meiner Erinnerung wegen eines süßlichen Honigaromas, welches von den Blüten einer lokalen Strauchart ausgehend zu jeder Tageszeit eine wahrlich bezaubernde Geruchskulisse generierte. Heute ist dieser Duft nicht mehr wahrnehmbar, da er von Abgasen überlagert ist.
Man hört immer wieder, dass Urbanisierung für die Umwelt positive Auswirkungen zeitigen würde, weil städtische Infrastruktur zentralisiert gebaut, gewartet, und letztlich Abfälle wie auch Abwässer zentral gesammelt und aufbereitet werden können. Das wird wohl so sein, wenn man einen typischen chinesischen compound, in welchem mehrere tausend Menschen leben, mit einer Streusiedlung vergleicht, in welcher in kleinen Einfamilienhäusern eine etwa gleich große Menschenmenge lebt. Was jedoch dabei nicht in Betracht gezogen wird, ist die durch Urbanisierung ungleich größere Wandlung von Grünzonen in Verkehrsflächen, die notwendig sind, um die Menschenmassen von A nach B gelangen zu lassen. Die ungleich größeren Logistik- und Distributionseinrichtungen, die geschaffen werden müssen, um deren Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Der mittlerweile verjährte Slogan einer Handelskette, „fahr nicht fort, kauf im Ort“ wurde ursprünglich zum Erhalt von Krämerläden und kleineren Supermärkten in den Dörfern und Gemeinden Mitteleuropas geprägt. Er trifft in gleichem, allerdings pervertierten Maße auf chinesische Städte zu, in welchen Konsumenten ihre Stadt nicht mehr verlassen müssen, weil sie dort alles bekommen. Die Qual der Wahl lässt sie jedoch oft lange Wege innerhalb der Stadt, Verkehrsinfarkte und lange Wartezeiten an den Kassen der Hypermärkte in Kauf nehmen. Die Ende Juni 2012 eröffnete erste Metrolinie Kunmings kann der Abgasbelastung noch nicht entgegenhalten, und heimische Freunde gestehen uns, dass selbst bei zügigem Ausbau der öffentlichen Verkehrsnetze, man weiter auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen sein wird. Der Einsatz des privaten Vehikels wird allerdings immer mühsamer, erzählt uns Li Lukang, eine Kunminger real estate Maklerin. Vor fünf Jahren habe sie nur 20 Minuten für den Weg von ihrer Wohnung in das Büro gebraucht; mittlerweile benötigt sie eine Stunde für dieselbe Strecke von etwa 10 Kilometern. Auf der zweiten Ringautobahn herrscht quasi 24/7 Stau, und auch wir, die wir uns einen Mietwagen geleistet haben, um die 8 Stunden Bahnfahrt nach Dali mit Kind und Kegel zu halbieren, rutschen in ein Verkehrschaos, welches seinesgleichen selbst in Shanghai oder Beijing sucht. Über Beijing witzelt zwar ein jeder Chinese, der schon einmal dort gewesen ist, da dieses berechtigterweise seit ein paar Jahren einen Zweitnamen trägt. Peking ist als Hauptstadt Chinas das 首都 | shoudu | die erste Stadt des Landes. Als Stadt des akuten Verkehrsinfarktes ist sie jedoch als 首堵 | shoudu | erste Stadt des Staus bekannt. Gleiche Aussprache aber andere Bedeutung. Nach zwei Stunden des vergeblichen stop and go geben wir unseren ursprünglichen Ausflugsplan auf und nehmen die erste Abfahrt von der Autobahn, die uns auf eine ebenso verstopfte Schnellstraße führt auf der wir nach einer weiteren halben Stunde in einen Schotterweg abbiegen, um dem Blechgeschiebe zu entkommen. Mit etwas navigatorischen Künsten schaffen wir es über Stock und Stein zurück Richtung Stadtzentrum, wo wir eine weitere Stunde im trägen Verkehr zubringen bis wir wieder in unserem Hotel am 翠湖 | cuihu | Emerald Green Lake erschöpft ankommen. Never again schwören wir. Doch bereits zwei Tage später erleben wir eine andere Facette der neuen Mobilisierung Chinas. Die für drei bis vier Stunden angesetzte Autofahrt von Kunming nach Dali verdoppelt sich, weil wir zwei Mal sage und schreibe jeweils etwa zwei Stunden mitten auf der Autobahn zu einem total Halt kommen. Was tut man also in dieser für China ungewohnten Situation? Man steigt aus. Pinkelt hinter einen Busch am Straßenrand. Hilft den Kindern ebendieses Bedürfnis zu befriedigen, und stellt dabei fest, dass nicht unweit vom eigenen Haltpunkt direkt an der Autobahn ein improvisierter KFZ Reparatur Laden Geschäft aufgeschlagen hat. Ein Toyota Crown parkt am Pannenstreifen und lässt sich das Radwerk rundumerneuern. Ein Jinbei Kleinbus steht in Warteposition, um gewaschen zu werden. Die Bedienung erfolgt von einer schäbigen Hütte aus, die auf der anderen Seite des fünf Meter hohen Grenzwalls zwischen Autobahn und übriger Landschaft eingerichtet wurde. Da ich dort nicht wenige Ersatzteile und ein durchaus professionelles Assortiment von Werkzeug sichte, drängt sich der Verdacht auf, dass es sich entweder um einen regelmäßigen oder in hoher Frequenz auftretenden Stau handelt. Eine kurzerhand mit dem gelangweilt aussehnenden Lenker des Fahrzeuges vor uns aufgetane Konversation klärt den Sachverhalt auf. Herr Chen ist diese Strecke mehrmals pro Woche unterwegs, sagt er mir, während ich versuche seine Augen hinter der verspiegelten Sonnenbrille im police-look ausfindig zu machen. Derartige Staus sind eine fast tägliche Erscheinung und ich solle mir keine Hoffnung machen, mindestens 90 Minuten werden wir stehen ohne dass sich das geringste tut. Aber was sei denn nun der Auslöser für den Stau, will ich wissen. Es sind die in dieser Gegend unerfahrenen LKW Lenker, die nicht wissen, dass das Bremswasser ihrer Kollegen vor ihnen auf der Autobahn vor allem in der Nacht und auch in den frühen Morgenstunden gefriert. Wenn sie dann auf den manchmal für eine Autobahn steil abschüssigen Streckenteilen bremsen, kommt es mit ziemlich großer Regelmäßigkeit zur Unfällen auf dem entstandenen Glatteis. Dr. Wang, zwei Autos vor mir, Chirurg an der Universitätsklinik von Dali, erzählt mir dass er mit einer Gruppe von Ärzten in Kunming gewesen sei, um medizinische Waren einzukaufen. Die Unfalllenker würden nicht selten in sein Krankenhaus eingeliefert werden.
Unter welchen Umweltbedingungen würde ich China verlassen? Sollte sich Shanghai in ihrer Luftqualität jener Beijings annähern, so wäre ein Grund gegeben, meine Sachen zu packen. Jüngste veröffentlichte Messungen der Beijinger Luftqualität haben von einem PM 2.5 Wert[ii] von über 700 gesprochen. Ähnlich wie in den jüngst neu eingeführten Skalenbereichen für Hitzeerscheinungen in Australien, müßte die bis 500 reichende PM 2.5 Skala für Beijing neu erfunden werden. Nun ist es bereits eine Besonderheit, dass man in Printmedien realitätsnahe Werte liest bzw von gesundheitsschädlichen Situationen als betroffener Bürger informiert wird. Die von der US Botschaft in Beijing veröffentlichten PM Messungen werden regelmäßig blockiert, der weibo Blog gesperrt. Dass chinesische Printmedien absurd hohe Zahlen selbst eingestehen ist ein Novum.[iii] Die Unklarheit über gesundheitsschädliche Umweltbelastungen und die Trägheit, mit der etwas dagegen unternommen wird, ist jedoch ein ständiger Wegbegleiter eines Lebens in China.
首堵还是雾都 - Staustadt oder Smogstadt
Nachtrag: Die oben stehenden Zeilen sind Anfang 2013 enstanden. Wir schreiben nun Dezemer 2013 und zu meinem Entsetzen sind die Feinstaubwerte Shanghais in den vergangenen zwei Wochen im ein Vielfaches schlechter gewesen als in Beijing. Während wir im Jänner dieses Jahres als in Beijing Rekordwerte von 900 µg Feinstaub gemessen wurden, waren es in Shanghai nie mehr als 250 - nichts desto trotz verbrachten unsere Kinder drei Wochen durchgehend ihre Kindergartenstunden indoors, um den hohen Werten nicht ausgesetzt zu sein, und die Elternvertretung schaffte einen air purifier an. In den vergangenen zwei Wochen hat sich das Blatt gewendet. In Shanghai wurden historische Höchstwerte gemessen - die höchste Zahl wurde von meinen Mitarbeitern aus dem Bezirk Putuo vermeldet: 726 µg. Aber selbst Durchschnittswerte waren für mehrere Tage weit über 400 µg. Während man über Beijing seit Jahren als Staustadt scherzt, hat Shanghai nun den Beinamen Smogstadt erhalten. Selbst heute Sonntag waren die Werte Shanghais ungesund. Man hört, dass sich die Umweltbedingungen in den kommenden zehn Jahren nicht verbessern, sondern verschlechtern werden.
[i] http://derstandard.at/1356426303365/Auf-China-lastet-grosser-Reformdruck
[ii] http://en.wikipedia.org/wiki/PM10
[iii] http://africa.chinadaily.com.cn/china/2013-01/19/content_16143425.htm