Als Stahlstadtkind habe ich in den 80er Jahren unter der durch die Industrie verursachten Umweltverschmutzung stark gelitten und eine chronische Atemwegserkrankung zeitlebens als Erbe mit auf meinen Weg in die weite Welt genommen. Heute komme ich nach Linz zurück und empfinde dieses als Luftkurort im Vergleich zu meiner neuen Heimat Shanghai. Selbst im Herzen des Industriegebietes am Donauhafen macht die voestalpine auf mich eher den Eindruck eines central business districts in downtown shanghai denn jenen einer schwer-industriellen Anlage, die zu den weltweit größten Stahlproduzenten zählt.
Die voestalpine ist der größte private Arbeitgeber der Stadt mit über 10000 Beschäftigten an diesem Standort. Beim geführten Besuch im firmeneigenen Museum, der Stahlwelt, wird mir noch einmal zu Bewusstsein geführt, warum Linz immer eine rote Arbeiterstadt war. Hier in der voestalpine schlägt das Herz der Stadt, hier hat die Stadt ihre Wurzeln. Für lange Zeit war die VOEST ein verstaatlichter Konzern, nun gilt er unter der Führung des CEO Wolfgang Eder als privatwirtschaftliches Paradeunternehmen. Während in China im dritten Plenum des 18. Zentralkomitees 376 Delegierte unter anderem zu den beiden wichtigsten aktuellen Themen der Reform des Eigentums an landwirtschaftlichen Flächen und der Reform von Staatsunternehmen tagen,[i] frage ich mich, was privatwirtschaftliche und staatswirtschaftliche Unternehmensführung in Österreich und China bedeutet.
Dass es sich bei diesen beiden Termini nicht um schwarz oder weiß Konzepte dreht, wird mir durch einen OÖN Artikel vergegenwärtigt, aus welchem ich lerne, dass Linz seit meinem letzten Dienstaufenthalt einen neuen Bürgermeister hat. Selbst in einer sogenannten Industrienation wie Österreich ist die Einflussnahme der Politik auf wichtige Unternehmen bzw Unternehmen im Eigentum von Gebietskörperschaften nicht komplett zurückgedrängt worden. Franz Dobusch ist einem Finanzskandal folgend in die Pension gewichen, welche angeblich ohnehin geplant war, und sein unpopulärer Vize Klaus Luger wurde zu seinem Nachfolger gekürt. Um einen breiteren Konsens innerhalb der Partei zu erreichen wurde der 36 jähre Christian Forsterleitner berufen, das Amt des Vizebürgermeisters und Finanzstadtrates zu übernehmen. Ebenso werden Luger und Forsterleitner zu Aufsichtsräten in den Linzer Stadtbetrieben ernannt. Für die Schulden dieser Unternehmen befindet sich Forsterleitner jedoch nicht verantwortlich, da diese wie beim Land jene der Energie AG nicht im Stadtbudget ausgewiesen werden.
Die Fragen, die sich bei meinem Frühstückscafe in meinen Kopf drängen sind folgende: wie kann ein 36 jähriger, mit knapp zwei Jahren Berufserfahrung die drittgrößte Stadt Österreichs finanziell führen und einen Schuldenstand von 1.2 Mrd EUR korrigieren? Oder geht’s gar nicht darum, dass etwas korrigiert werden soll? Steuert die Stadt nicht wie das Land Salzburg mit SPÖ Finanzlandesrat David Brenner auf einen weiteren Finanzskandal zu? Wird Christian Forsterleitner mehr Verantwortung übernehmen als sein Vorgänger, Finanzstadtrat Josef Mayr? Warum wird eine derartig wichtige Aufgabe nicht nach sachlichen Qualifikationen vergeben?
Im Gespräch mit Landsleuten stehe ich nicht alleine mit der Meinung da, dass man sowohl Mayr wie auch Dobusch auf das Existenzminimum hätte pfänden müssen. Aber letztlich gibt es für Politiker keine Handlungsverantwortung, und so können sie, wie David Brenner vor einem Untersuchungsausschuss folgendes zu Protokoll geben: Ich war nur für die strategische Ausrichtung des Finanzgebarens des Landes verantwortlich, die Behörde für die operative Umsetzung. Ebenso kann der ehemalige Linzer Bürgermeister Franz Dobusch sinngemäß vor einem Gericht zum millionenschweren Fremdwährungsswap aussagen:[ii] Ich seh mir nicht jedes Dokument an, das über meinen Tisch wandert. Jährlich werden in meinem Büro 6700 Akte angelegt, aber zum Swap habe ich keinen. Ein unterschriebener Laufzettel vom Finanzreferat reicht mir um zu erkennen, dass ein Akt ok ist.
Es reicht jedenfalls nicht, dass die SPÖ mit Forsterleitner einen Generationenwechsel einleiten will. Es müssen lang eingefahrene, laxe Verhaltensmuster geändert werden. Qualitätssicherungsmaßnahmen und standardisierte Prozesse sind selbst in Kleinstunternehmen oft ein Muss, aber in der drittgrößten Stadtverwaltung des Landes nicht. Alleine die Bestellung Forsterleitners läßt die Hoffnung auf eine derartige Veränderung düster aussehen. Ich kann mich an Christian erinnern als ich ihn vor etwa 20 Jahren als Vorsitzenden der jungen SPÖ Linz kennenlernte. Er war schon damals eine junge Führungspersönlichkeit bei den Sozialdemokraten, was einerseits durch sein angenehmes Erscheinungsbild aber auch durch seine nette, integrative Art für mich erklärt war. Ich kann insofern über den Menschen Forsterleitner nur Positives wiedergeben. Bei der Berufung zum Finanzstadtrat meiner Heimatstadt steht eine private Sympathie allerdings im Hintergrund. Gefragt sind sachliche Qualifikationen für eine zu erfüllende Aufgabe, eine meritokratische Beurteilung, ob eine Person einer Verantwortung gewachsten ist.
Diese Qualifikation stelle ich hiermit in Frage. Forsterleitner hat zwar BWL studiert, ist aber zeitlebens nur SPÖ Apparatchik gewesen. Er hat sich niemals in der Privatwirtschaft unter Beweis stellen müssen, geschweige denn einen Job aufgrund seiner Qualifikationen bekommen. Als er 2010 ankündigte, in die Privatwirtschaft wechseln, um für sich für höhere Parteiwürden vorbereiten zu wollen, wurde ein von der SPÖ in die voestalpine geschobener Posten von CEO Wolfgang Eder blockiert, weil dieser sich nicht den Vorwurf der staatlichen Einflussnahme machen lassen wollte. Forsterleitner bekam stattdessen einen Job beim oberösterreichischen Kunststoffrohrhersteller Ke-Kelit. Lange hat es ihn dort nicht gehalten, da er Mitte dieses Jahres nicht vom Arbeitsplatz, sondern von der Elternkarenz in das Rathaus geholt wurde. Wir haben also einen Vollblut Apparatchik als Finanzstadtrat bekommen, der weniger als zwei Jahre Arbeitserfahrung mitbringt. Eigentlich müßte man annehmen, dass eine derart wichtige Position nach bestimmten Kriterien öffentlich ausgeschrieben wird und der objektiv bestqualifizierte zum Zug kommt.
Inwieweit sich die österreichischen Sozialdemokraten von den chinesischen Kommunisten unterscheiden ist nur mehr durch die Zensur ihrer Gehälter feststellbar. Während man in Österreich zumindest lesen und sich darüber mokieren darf, dass SPÖ Nationalbank Granden unsittliche Gagen einstreifen, so wird in China die öffentlichen Meinungsbildung so gesteuert, dass sich ausländische Medien wie bloomberg zu investigativen Berichten über die Vermögenssituation chinesischer Politiker selbst zensurieren, um im Land bleiben zu dürfen. Was uns also in Österreich bleibt, ist das Recht zu sudern, an den haarsträubenden Zuständen können wir ebenso wenig ändern wie unsere chinesischen Freunde aus dem Volk.
[i] http://www.economist.com/blogs/analects/2013/11/communist-party-plenum?fsrc=rss
[ii] 17:15: Bawag-Anwältin Bettina Knötzl fragt nach: "Geht daraus hervor, dass Akt rechtlich geprüft ist?" Dobusch sagt, der Magistratsdirektor sei Jurist, die Mitarbeiter seien Juristen, er gehe davon aus, der Akt sei in Ordnung, sonst würde ihn Magistratsdirektor nicht unterschrieben haben.
Lansky: "Eine Prüfung durch die Rechtsabteilung lässt sich hier nicht erkennen". Das sei aber in kleinen Unternehmen schon der Fall.
Lansky fragt nun, bis auf welche Berichtsebene Dobusch Mails auf Magistratsebene mitgeteilt bekomme. Dobusch: "Ich behandle Mails wie Briefe. Die werden ausgedruckt, aus jedem wo wir Handlungsbedarf sehen, werden Akte". 6700 Akte würden allein in seinem Büro jährlich angelegt.
Lansky: "Gibt's einen Akt Bawag/Swap?" Dobusch: "Den gibt es bei mir nicht".
17:11: Lansky hinterfragt nun den von Dobusch vorgeführten "Laufzettel". Aus dem sei eben nicht ersichtlich, ob eine Sache rechtlich geprüft wurde, oder nicht. Genau das sei aber seine Frage gewesen. Dobusch erklärt: Wenn es vom Magistratsdirektor abgezeichnet ist, sei der Akt ok.
Lansky präzisiert: "Sie verlangen auf einem derartigen Instrument die Unterschrift das Magistratsdirektors, Ihnen sagt dessen Unterschrift aber nicht, ob es rechtlich geprüft ist?" Dobusch: "Das Dokument sagt mir als Bürgermeister, dass der Akt so weit in Ordnung ist, dass ich diesen Antrag weiterleiten kann."