In meiner ersten stunde erkundigte ich mich in jeder meiner klassen nach dem namen des speakers, der hier monitor genannt wird. Die andersartige soziale struktur einer hiesigen klasse nicht ahnend hatte ich mich mit dieser information zufriedengegeben und schlicht die jeweiligen monitors in der namensliste vermerkt. Den monitor der klasse 004, Zhao Qiang – 赵强, ob seiner nachlässigkeit rügend wurde ich von studentin An Run darauf aufmerksam gemacht, dass das nichterstellen der geforderten liste ein versagen ihrerseits darstelle, und Zhao Qiang nicht verantwortlich gemacht werden könne. Warum, wollte ich natürlich wissen, hatte ich doch nur ihn mit dieser aufgabe beauftragt. Weil sie, An Run, study monitor und in dieser funkton für derartige arbeit zuständig sei. Study monitor?, was das denn sei, wollt ich wissen und fügte sofort hinzu, dass Zhao Qiang seine Inkompetenz hätte mitteilen müssen und somit erst recht zu rügen sei. Der studying monitor sei auf studentenseite die ansprechperson für alle study affairs, welche die gesamte klasse betreffen. Ob es noch andere monitors gäbe, wollte ich wissen, und erfuhr von der existenz gar sechsen monitoren. Der mit bereits bekannte Zhao Qiang ist headmonitor (supervisor), in seiner funktion für alles irgendwie zuständig und befähigt, die noten seiner mitschüler zu beeinflussen. An Runs bekleidet das durchaus wichtige und in der klasse offensichtlich respektierte amt des study monitors, Long Xiaohua erklärte, financial affairs monitor zu sein, was ich gemäss den beschriebenen aufgaben als accountant bezeichnen möchte. Zhang Qing hält die position des organizing monitors inne, zuständig für die organisierung von festen, veranstaltungen und dergleichen; Jiang Tao ist physical education monitor, und Bao Gawa (für han-chinesen unüblicher name, da mongolischer rasse; auch physiognomisch auffällig) wird league monitor bezeichnet. Letztere, welche ich für fünf wochen meines geschlechtes angehörig wähnte, bildet das bindeglied zur kommunistischen partei, zhongguo gòngchandang, welcher ab dem 18 lebensjahr auf ansuchen beigetreten werden darf. Das ansuchen ist beim jeweiligen league monitor abzugeben, und trotz der fehlenden obligation zur abgabe eines solchen wird der grossteil der studenten während der vier jahre ihrer ausbildung zum parteimitglied. Bis zur erlangung dieses in der chinesischen gesellschaft oft hilfreichen status bereitet man sich in einer art novizentum in der gòngqingtuán, der Communistic Youth League, auf die anstehende würde vor, und noch bevor man in diese jugendorganisation hineinwächst, wird der noch beinahe bewusstlose Jungmensch im heranreifen von der shaoxianduì, dem team der jungen, geführt, welches er zumeist ab dem achten lebensjahr kennenlernt.
Die kohärenz der klassensysteme wird weiters durch ein kollektives subprogramm, welches mir mit social practice übersetzt wurde, gefördert. Zweimal monatlich marschiert die gesamte klasse, das banner des jeweiligen universitätsinstituts vor sich hertragend, zu einer einrichtung wie dem old people’s home oder dem SOS children’s village, um dort in erfüllung der gesellschaftlichen pflichten die böden zu schrubben, die fenster zu putzen oder den waisen etwas Englisch beizubringen. Bei der organisation dieser althruistischen akte ist neben dem headmonitor, dem league monitor und dem organizing monitor auch der phyical education monitor involviert, der seine kollegen, die im uniformartigen trainingsanzug ausrücken, an der spitze anführt und in spiess-manier die ordnung der einzelnen glieder bewahrt.